Scherk-Kurs
Heuwinkl goes Deggendorf – Von den Besten lernen mit Peter Scherk und Florian Knabl.
Vielseitigkeitsseminar am letzten Oktoberwochenende 2010
Heuwinkl! Ein Name wie ein Donnerhall in der Welt des Hundesports. Ein Name, der die einen in ihren eigenen Schmollwinkel aus Neid und Rechthaberei treibt, die anderen in einen Herrgottswinkel stiller und ergriffener Andacht abtauchen lässt. So falsch diese Positionen auch sein mögen, so treffend sind sie dennoch, weil sich in Heuwinkl alle Gefühle, die der Hundesport zu bieten hat, wie unter einem Brennglas bündeln und entzünden.
Heuwinkl goes Deggendorf - und auf dem Platz der Übungsgruppe Deggendorf stehen mit Peter Scherk, dem aktuellen FCI-Weltmeister sowie FMBB-Mannschaftsweltmeister und Florian Knabl, Sechster der diesjährigen VDH-DM, zwei Protagonisten des weltbesten Hundesportvereins aus dem bayerischen Iffeldorf mit der Erfahrung unzähliger WM-, DM- und Championatstitel sowie Topplatzierungen am Fließband und lassen die Seminarteilnehmer einen tiefen Blick in ihre Zauberkiste machen - aus der diese schnell wieder enttäuscht auftauchen: die Kiste ist leer. In Heuwinkl wird nicht gezaubert, sondern ein Handwerk meisterlich ausgeübt. Mit Zauberei hat das wenig zu tun, auch wenn die Ergebnisse den Anschein von Magie in sich tragen.
Professionell, souverän und verbindlich führen Peter und Flori die Seminaristen an die drei Säulen des Heuwinkler Hundesport-Credos heran, das da lautet: Aktion, Konzentration und Position. Darunter versteht man in Heuwinkl die Aktion, die der Hund einbringen muss, um selbst die Belohnung durch seinen Hundeführer auszulösen. Äußerste Konzentration beider auf nichts als den gerade ausgeführten Übungsteil, welche die exakte Position beider zueinander zu jedem Zeitpunkt der Übung ermöglicht. Das Ergebnis ist die ersehnte Präzision, die alle im Auge haben und kaum einer zu Gesicht bekommt. Die Heuwinkler aber schon.
Die Frage nach dem Geheimkleber, der diese von den meisten Hundesportlern angestrebte Dreifaltigkeit in Heuwinkl zu einem Ganzen zusammenfügt, wo einem selbst doch die Einzelteile Training für Training wie von Geisterhand um die Ohren fliegen, erklären die Heuwinkler mit der kompromisslosen Schaffung einer „Wohlfühlzone„ für den Hund, die dort errichtet wird, wo der Hund am meisten gefordert wird, die ihm uneingeschränkte Sicherheit und Geborgenheit gewährt und ihn von der ungemütlichen Außenwelt abschirmt. Zwischen diesen beiden Welten werden für den Hund alle Zwischen- und Graubereiche konsequent ausgeblendet. Geduldig und sorgsam an die einzelnen Bauelemente einer Übung herangeführt, lernt schon der Welpe und Junghund, dass er sich bei korrekter Ausführung immer in dieser Wohlfühlzone, seinem eigenen kleinen Paradies, bewegt, überschwänglich bestätigt, gelobt und mit Leckereien verwöhnt wird. Eine schlampige, also fehlerhafte Darbietung setzt ihn jedoch der weniger gemütlichen Welt außerhalb dieses Schutzraums aus. Die Wahl fällt dem Sportler auf vier Beinen demnach nicht sonderlich schwer. Er wird sich für Lob und Leckereien entscheiden und mit großer Lust seine Übungen praktizieren. Im Paradies lebt es sich eben völlig entspannt.
Nichts Neues also in der Welt des Hundesports, darf man getrost anmerken. Richtig! Aber: Warum kommen die Serienmeister trotzdem meist aus Heuwinkl und nicht aus Schmollwinkel oder Herrgottswinkel? Die Antwort ist so schlicht wie beschämend: weil nicht der Hund die Fehlerquelle ist, sondern der Hundesportler. Weil wir in falsch verstandener Liebedienerei unserem Hund nicht deutlich sagen, was wir von ihm erwarten (ihn es übrigens genau aus diesem Grund nicht richtig lehren!), ihn im Graubereich zwischen Baum und Borke hängen lassen, ein Fehlverhalten dreimal nicht ahnden, beim vierten Mal aber ein Höllenfeuer über ihm entfachen, dass ihm Hören und Sehen vergeht. Was soll unser Sportfreund denn aus einem solchen Verhalten lernen? Alles falsch und alles richtig, lernt er – je nach Laune und Befindlichkeit des Herrn. Kein Wunder, dass Hundesport auf dieser Basis keinen rechten Spaß macht und nicht selten in eine Würgerei und Quälerei ausartet. In Heuwinkl passt zwischen Wohlfühlzone und Außenwelt kein Blatt Papier: die Welt ist für den Hund ein Schachbrett, auf dem ausschließlich die weißen Felder ans Ziel führen, eine überschaubare und für den Hund schnell durchschaubare Welt, so unmissverständlich wie ein leerer und ein voller Futternapf.
Und worin manifestiert sich unser menschliches Fehlverhalten am deutlichsten? Nicht, wenn es um strafen und korrigieren geht, da gibt es auf den Hundeplätzen mehr Weltmeister als Heuwinkl je hervorbringen kann, sondern wenn ein Lob den Mund des Hundeführers verlassen sollte, es aber ums Verrecken nicht über die Lippen will. Lispeln geht vielleicht noch, hauchen und murmeln vielleicht auch, wenn die Notwendigkeit eines Lobs denn überhaupt erkannt wird - wo der Chefsportler doch jubeln sollte, dass es den Engeln warm wird ums Herz. So steht die Sportwelt auf dem Kopf: Kommandos werden gebrüllt, dass sich der vierbeinige Sportkumpel vor Schreck einmacht und die freudigen Botschaften werden verschwiegen oder geraunt. Anders herum würde vielleicht ein erfolgreiches Team aus den beiden. Aber hat sich nicht jede Hausfrau ebenfalls in ihr Schicksal fügen müssen, dass die Esser am Familientisch ihr Lob nach der alten Prämisse verteilen: nicht geschimpft ist gelobt genug? Was die Hausfrau zähneknirschend duldet, verzeiht der Sporthund aber nicht. Da ist er der Hausfrau voraus.
Wer Peter und Flori mit ihren Malinois-Rüden Bendix und Yannick in Deggendorf erlebt, bekommt eine Ahnung davon, wie Ansagen klar und kompromisslos gemacht werden und Lob im Übermaß verteilt wird.
Und schon ist er wieder zu hören, der Einwand, dass der Heuwinkler Hund der Wahl ein Malinois ist, der eben kein Hovawart sei, angereichert durch die ganze bekannte Litanei der Ausflüchte. Wer behauptet, dass ein Hovawart auf großen Prüfungen gegen Belgische und Deutsche Schäferhunde bestehen und gewinnen könne, liegt natürlich genauso daneben wie diejenigen, die den Hovawart zu einem hundesportlichen Pantoffelhelden herunterreden, um ihre eigene Bequemlichkeit zu rechtfertigen.
Wie erfolgreich und beeindruckend ein Hovawart im Vielseitigkeitssport geführt werden kann, belegen zwei Überraschungsgäste am Samstag auf eindrucksvolle Weise: Kristina Pilz und Duke Devil’s Breed, die aktuellen Deutschen Meister bei den Hovawarten und 44. der diesjährigen VDH-DM (bester Hovawart) kommen auf eine Visite vorbei und geben eine Kostprobe ihres Könnens, das sie sich seit zwei Jahren in Heuwinkl aneignen. Mit dieser Präzisionsarbeit geht augenscheinlich nicht nur der Erfolg einher, sondern unübersehbar die schiere Lust an der gemeinsamen Arbeit, eine Offenheit und Freude, die alle ansteckt - und motiviert, ein bisschen von diesem Glanz und dieser Begeisterung in den eigenen Alltag mitzunehmen.
Kristina und Duke sind der Beleg, dass es noch niemandem geschadet hat, von und mit den Besten zu lernen. Es ist offensichtlich, dass die Deggendorfer Seminarteilnehmer da kaum widersprechen würden. Die Begeisterung, mit der sie den Großmeistern des Vielseitigkeitssports an den Lippen hängen und versuchen, ihnen auch noch den letzten Geheimcode zu entlocken, macht Hoffnung auf ein fulminantes Sportjahr 2011, das jedoch nur dann zur Zeitenwende werden kann, wenn man dreierlei im Blick behält.
Der Heuwinkler Sporthund wird um nichts in der Welt den Kuschelplatz in seinem Paradies gegen einen ungemütlichen jenseits ihrer Grenzen tauschen. Der Hundeführer muss gerade das auf sich nehmen: den durchgesessenen Sofaplatz aufgeben und durch die Untiefen unbekannter Herausforderungen gehen. Die zweite Botschaft heißt: beobachten, lernen und analysieren, neue Wege ertüfteln, probieren, verwerfen und erneut probieren. Die Welt des Hundesports unterliegt einem dauernden Wandel und auf dem Weg zur Perfektion gibt es noch viele Schätze zu heben. Pioniergeist, Offenheit und Kreativität sind die Schlüssel zu den Schatzkammern des Hundesports. Die letzte Botschaft lässt dann doch aufatmen: Auch die Heuwinkler kochen nur mit Wasser. Allerdings geben sie erst Wasser in den Topf, bevor sie Feuer machen. Das praktizieren viele anders und wundern sich, wenn der leere Topf durchglüht.
Manches ist eben wirklich ganz einfach, wenn man’s genau bedenkt und richtig zusammenfügt. Wie die in Heuwinkl eben.
Bernd Feuchtmeir
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